Alt aber aktuell...

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StefanGlabisch/Entetrente
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Alt aber aktuell...

Beitrag von StefanGlabisch/Entetrente » 14.12.2006 00:14

Alt aber aktuell...

Römerlager bei Heidemünden entdeckt
Wichtige Münzen wurden verschleppt
(Money Trend 6/2004, p.9)

Etwa 1,5 km westlich vom südniedersächsischen Hedenmünden befindet sich im Südholz ein schwer zugänglicher ovaler Burgwall in strategisch hervorragender Lage hoch über dem Werratal über einer alten Furt über die Werra.

Jahrzehntelang hielt man die 320 m lange und 150 m breite Anlage mit ihrer flachwelligen Innenraumfläche von 3,215 ha für mittelalterlich. Zu ähnlich erschien die ovale Anlage mit Wall und Graben manch mittelalterlicher Burg in Niedersachsen. 1883 wurde hier oben beim Wegebau im Wallkern eine Dolabra, eine römische Pionieraxt, gefunden und 1916 vom niedersächsischen Altmeister der Ur- und Frühgeschichte Carl Schuchardt, publiziert.

1965 unternahm dann das Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen (H.G.Peters) eine Probegrabung: Man fand im Wall Holzkohlen, deren C14-Datierung (Radiocarbon) in die jüngere Eisenzeit wies, also in die Zeit um Christi Geburt. Nun galt die "Hühnenburg" als germanisch. Da "Lustgrabungen" im Zeitalter der Notgrabungen verpönt sind, kamen wirkliche Grabungen in der ruhig darliegenden Ringwallanlage nicht in Frage.

Dann entdeckte in der Spätzeit des 2.Jahrtausends, besonders 1998, der zuständige Kreisarchäologe Dr.Klaus Grote in der Anlage immer mehr Bohrlöcher, die nur von Sondengängern, Raubgräbern herrühren konnten. Man fand heraus, dass römische Denare und aus Messing geprägte Dupondien, also Doppelasse, von Nemausus verschleppt worden waren. Diese Prägungen für die Militärkolonie, in der die siegreichen Veteranen des ägyptischen Feldzuges des Augustus angesiedelt wurden, sind dadurch auffällig, dass sie ein ausgewachsenes Krokodil zeigen. Einzelne aus dem Boden geholte Münzen haben wegen ihrer Korrosion meistens kaum einen Marktwert, während sie für die Forschung wegen der durch sie gegebenen Datierungsmöglichkeiten äusserst wichtig sind. Die falschen Freunde der Archäologie hatten neben ihren Bohrlöchern allerhand hochgeholte, verrostete Eisenteile als vermeintlich wertlos liegengelassen, die aber Dr.Klaus Grote sofort als römische Sachüberreste erkannte und sicherstellte. Unter diesen Umständen musste das Ganze unbedingt archäologisch untersucht werden. Die unter guten Rahmenbedingungen arbeitende Kreisdenkmalpflege in Göttingen schafften sich so im Jahre 2000 selbst ein leistungsstarkes Metallsuchgerät an und begann mit diesem Metalldetektor das Areal flächendeckend abzusuchen: Wenn das Gerät bei einer Prospektion durch Pieptöne ein Metallobjekt anzeigte wurde mit Hilfe von Göttinger Studenten wirklich gegraben, wobei 1 bis 25 cm genügten. So kamen im Wettlauf mit der Zeit und im Kampf gegen Raubgräber etwa 250 Fundstücke zusammen, darunter römische Lanzenspitzen, drei Pionieräxte mit eigenartiger Verzierung, mehrere Katapultgeschossbolzen, einige Lanzenschuhe, Kettenteile und ein Ledermesser. Der ausgegrabene Keramikbruch war teils wesergermanische Arbeit, teils römische Drehscheibenfabrikation.

An einer Stelle wurde der 5 m breite Wall untersucht, vor dem ein tiefer Spitzgraben nachgewiesen wurde. Das in einem Guss erstellte Lager mit mehreren Toren war kein Eintagsmarschlager, sondern ein dauerhaftes Lager, das den alten Weg aus Hessen ins Leinetag sicherte, bis Roms Traum von der Eroberung des Freien Germaniens zu Schanden wurde. Im Inneren des Römerlagers wurden typische Zeltheringe, die die Existenz von Zelten bezeugen, und Beschlagstücke, die auf Holzbauten hindeuten, gefunden. Die Fundstücke aus der Wehranlage entsprechen den Metallobjekten, die aus Hessen und Westfalen, sowie aus Kalkriese, der letzten Station der Varusschlacht im Jahre 9.n.Chr., bekannt sind. Das Lager Rödgen in der Wetterau hat die gleiche Grösse und eine ähnliche Grundrissform wie die Wehranlage bei Hedemünden. Nach Süden schloss sich ein zweites Lager der augusteischen Zeit an.

Im westlichen Vorgelände des grossen Lagers stellten die Forscher eine auffällige Fundkonzentration römischer Metallobjekte fest, darunter einen Glockenklöppel, eine Silbermünze der römischen Republik mit einem Vierergespann und dem doppelgesichtigen Gott Janus (Quadrigatus), schon um 200 v.Chr. geprägt, und eine durch Korrosion unbestimmbare römische Kupfermünze. In der Nähe des Lagers wurden Siedlungsflächen der germanischen Bevölkerung festgestellt. Hier wurde im 19.Jh. ein Hort von Denaren der römischen Republik entdeckt, wie sie die Germanen wegen ihres hohen Silbergehaltes gerne annahmen.

Die umfassende, erfolgreiche Prospektion bei Hedemünden erfüllt die Forscher mit der ruhigen Gewissheit, dass falsche Freunde der Archäologie mit Metalldetektoren hier nichts mehr finden werden.
Vermittler nur für faire Archäologen und meldewillige Sondengänger.

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