Loenne hat geschrieben:@Vtmue
Ich hoffe Du erkennst langsam das Problem. Es wird grundsätzlich immer erwartet, dass die Sondengänger sich ändern und dann ist man evtl. gesprächsbereit. Es wird einfach nicht verstanden, dass die Schuld an der ganzen Misere zu 90% bei den Archäologen selber liegt, die 20-30 Jahre lange gepennt haben und die Situation jetzt mit der Brechstange ändern wollen, wo das Kind längst in den Brunnen gefallen ist.
Mir fehlen die Informationen und die Erfahrungen, um beurteilen zu koennen, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich denke aber, Du hast guten Grund in Form von Informationen und Erfahrungen, um die Vergangenheit wie oben zusammenzufassen.
Nun ist es ein grundlegendes Gesetz, dass nichts ohne Grund passiert. Ich habe neulich das Buch "Was ist ein Bodendenkmal" aus der Reihe "Archaeologie und Recht" gelesen. Wenngleich ich viele der darin ausgefuehrten Thesen in ihren Schlussfolgerungen in Frage stellen wuerde, wurde mir bei der Lektuere eines klar. Jede auch noch so "konservative" Haltung seitens der Amtsarchaeologie bzw. Denkmalpflege folgt einer
in sich schluessigen Logik. Teilweise hatte ich auch das Gefuehl, man umwirbt gezielt Juristen aus einer gewissen Hilflosigkeit heraus: man waehnt sich in Bezug auf den absoluten Alleinanspruch auf den Umgang mit Denkmaelern zutiefst im Recht, bekommt aber doch nicht immer derart und in dem Umfang Recht zugesprochen, wie man es gerne haette und in Folge der eigenen Logik erwartet.
Moeglicherweise ist hier wirklich ein gewisses Pfruendedenken verankert, welches auch nicht voellig unberechtigt waere. Schliesslich stellen die archaeoloisch relevanten Relikte der Geschichte in ihrer Zahl eine begrenzte Ressource dar, die schneller aufgebraucht wird als "Neues" hinzukommt. Nicht zuletzt wird das Feuer der Archaeologie dadurch am Leben erhalten, dass ein grosser Teil unserer Vergangenheit keine oder unzureichende Aufzeichnung hinterlassen hat.
Was sollen Archaeologen in hundert Jahren erforschen? Aus unseren heutigen Muelldeponien die ersten 10MB RLL-Festplatten ausgraben? Aus Seen die Reste von Automobilen mit Verbrennungsmotoren bergen? Nicht nur dass diese Vorstellung schon nachvollziehbar abschreckend ist - es wird nicht noetig sein, da wir bereits den Grossteil der juengeren Neuzeit nahezu lueckenlos in Museen und Archiven dokumentieren.
Die Archaeologie ist eine Wissenschaft, die in einer nicht allzu fernen Zukunft sich selbst teilweise wird neu definieren muessen. Das wirklich Traurige daran ist, dass die Archaeologie eine anspruchsvolle Disziplin darstellt, der heute noch ein sehr hohes Mass an Koennen und Wissen abverlangt wird. Dieses Koennen und Wissen ist aber in der Regel bei Laien nicht vorhanden. Daher ist es nur nachvollziehbar, dass die Vorstellung, Laien wuerden wie Heuschrecken ueber die begrenzten Ressourcen archaeologischer Forschung herfallen, geradezu ein Horrorszenario darstellt, welches es mit allen zur Verfuegung stehenden Mitteln zu verhindern gilt.
Es mag am Zeitgeist gelegen haben, dass in frueheren Jahrzehnten in einer solchen Situation nach dem Gesetzgeber gerufen wurde und man sich anschliessend blind und starr auf die Ratio verlassen hat. Dabei wurden -meiner Ansicht aus heutiger Sicht straeflich- zwei Dinge verkannt. Zum einen dass der Buerger im Zeitalter der Information und in Ausuebung seiner persoenlichen Freiheit das Recht und die Moeglichkeit hat, sich derart fortzubilden und auszustatten, dass er selbst als Laie Taetigkeiten ausueben kann, die zuvor der Archaeologie vorbehalten waren. Zum anderen, dass das Anliegen, in der Vergangenheit zu forschen und Verborgenes zu entdecken, einen bei vielen Menschen stark ausgepraegten Trieb darstellt, der sich nicht per Verordnung ausschalten laesst.
Von mir aus klipp und klar, die Archäologie hat geschlafen und die Zeichen der Zeit verpennt und damit jetzt auch die Suppe auszulöffeln. Genau aus dem Grunde frage ich mich oft, wofür machen wir das hier eigentlich? Muss ich antreten und die Ämter zu ihrem Glück zwingen? Umgekehrt müsste es sein, aber dafür hat man zu wenig Schneid, weil man dabei ja evtl. sein Gesicht verlieren könnte.
Offensichtlich hat dem Gros der Entscheider auf amtlicher Seite in der Vergangenheit die Weitsicht gefehlt; zu dieser Einschaetzung findet sich hier zumindest scheinbar eine Mehrheit. Die ich jedoch als truegerisch empfinde, denn der Grossteil
scheint schweigend zuzustimmen.
Vor allem aber auch deswegen, da wie Du auch schreibst es scheint, als muessten die alten Ansichten aus den Denkmalaemtern herausaltern, da viele wohl nicht bereit sind, durch Zulassen weiterer Aspekte und Informationen ihre bisherigen Schlussfolgerungen und Standpunkte als falsch bzw. ueberholt zu enttarnen.
Der ganz entscheidende Punkt kommt aber genau an der Stelle, an der wir jetzt sind. Also an der Stelle, an der dargelegt ist, wieso sich die Amtsarchaeologie nach aussen abschottet und wieso sie sich dabei voellig im Recht sieht und sogar in keinster Weise einer Schuld bewusst ist.
An dieser Stelle zeigt sich naemlich der Fehler des amtsarchaeologischen Traummodelles: es ignoriert schlichtweg das Recht des Buergers, selbst zu forschen, die vielfaeltigen Triebe und Motive, wieso diese Rechte ausgeuebt werden, und vor allem das kriminelle Potential, das in dieser Welt existiert und jeden Tag real Anwendung findet und Denkmaeler pluendert, zerstoert und der Nachwelt fuer eine wissenschaftliche Auswertung entzieht. Dieses Potential laesst sich nicht dadurch eliminieren, dass man es als illegal deklariert und die Handhabung an Strafverfolgung und Justiz schiebt, die Verantwortung fuer die negativen Folgen gleichwohl aber ablehnt und die Folgen geradezu als gottgegeben hinnimmt. Genau in diesem Punkt liegt das ganze Versagen des, ich wiederhole, amtsarchaeologischen Traummodelles. Seine Logik ist nur deswegen in sich schluessig, weil Punkte, an denen sie versagen wurde, einfach ausgeklammert werden. Denn faire Kooperationsangebote an alle Sondengaenger wuerde vielen eine Alternative zum Weg der (oft vermeintlichen) Illegalitaet geben und auch den kriminellen das Leben schwerer machen.
Es ist doch geradezu, als wuerde man neben einem Messerstecher stehen, anstatt ihm in den Arm zu fallen aber sagen: "Hey, was sie da machen ist illegal und verboten, sie duerfte es gar nicht geben. Und im Uebrigen fordere ich Verbot von Handel und Besitz von Messern". Diese Haltung folgt einer
in sich schluessigen Logik - in der Theorie waeren ja alle Probleme eliminiert. In der Praxis verbleibt, um bei der Metapher zu bleiben, aber doch womoeglich ein Verletzter und Einer wegen unterlassener Hilfeleistung vor dem Kadi.
Ich mache nur drei Kreuze, dass gerade eine neue junge, frische und weltoffene Generation an Archäologen heranwächst und die ganz anders drauf sind. Mit denen macht es sehr viel Spaß sich zu unterhalten und auch zusammenzuarbeiten.
Klon sie, wirf ihnen Kutten ueber und sende sie mit einer Bibel und einem Grundgesetz in der Hand nach Sueden!
Im Ernst: es schlaegt dem Geist der Wissenschaft ins Gesicht, dass es einer neuen Generation von Archaeologen bedarf, um den Irrweg der Vergangenheit zu verlassen. Eigentlich ist es Ironie der Geschichte, gab es doch zuvor bereits Generationen von Archaeologen, die beseelt vom tiefen Glauben ihrer Disziplin zu dienen, durch aus heutiger Sicht katastrophale Ausgrabungen mehr geschadet als genutzt haben. Es ist geradezu erschuetternd, dass manche Akademiker heute nun nicht in der Lage sind, durch ein geringes Mass an Selbstkritik und Korrektur den Schwund der eigenen Ressourcen zu verringern.
Die uebernaechste Generation wird ihre Vorgaenger fragen, was sie getan haben, um darauf hinzuwirken